Berichte aus dem SFB

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Die Ostsee atmet tief durch

 

- Poseidon-Expedition ins Gotlandbecken zeigt Folgen des Salzwassereinstroms -


04.09.2015/Kiel. Mitte Juli verließ das FS Poseidon Kiel mit Kurs auf die zentrale Ostsee. Zielsetzung der vierwöchigen Expedition POS487, die im Rahmen des Kieler Sonderforschungsbereichs 754 "Klima-Biogeochemische Wechselwirkungen im Tropischen Ozean" und der Helmholtz-Allianz "Robotische Exploration unter Extrembedingungen" (ROBEX) statt fand, war es, die Konsequenzen eines massiven Salzwassereinstroms aus der Nordsee auf den benthischen Stoffkreislauf und die Nährstoffsituation im östlichen Gotlandbecken zu untersuchen.

 

Die Sauerstoffversorgung der Ostsee ist schlecht. Bedingt durch ihre Topographie mit nur wenigen, sehr flachen Verbindungen zur Nordsee, ist insbesondere in tieferen Bereichen der Ostsee die Versorgung mit sauerstoffreichem Wasser oft sehr schlecht. Hinzu kommen hohe Nährstoffeinträge aus den Anrainerstaaten. Dies führt in vielen tieferen Bereichen zu sauerstoffarmen bis zu völlig anoxischen Bedingungen, mit dramatischen Auswirkungen auf die am Boden lebenden, benthischen Lebensgemeinschaften.

Ende 2014 fand bedingt durch günstige meteorologische Bedingungen, ein sehr großes Einstromereignis statt, bei dem fast 200 km3 salzhaltiges, sauerstoffreiches Wasser aus dem Kattegat in die Ostsee strömte. Dies stellt das seit den 50er Jahren drittgrößte Ereignis dar (Mohrholz et al. 2015). Dadurch bietet sich eine einzigartige Gelegenheit, unser biogeochemisches Verständnis von anoxischen Systemen zu erweitern, die auch global von großer Bedeutung sind.
 

Tiefseeobservatorium
Tiefseeobservatorium, das für ein Jahr im Gotlandbecken Messungen durchgeführt hat. Quelle: GEOMAR.

 

"Der ökologische Zustand des Gotlandbeckens hängt sehr stark von der zeitweiligen Tiefenwassererneuerung durch den Einstrom von salzhaltigem und sauerstoffreichem Wasser ab, wobei diese Einstromereignisse die einzige Möglichkeit darstellen das tiefe Gotlandbecken zu belüften. In den letzten Jahren ereigneten sich solche Einstromereignisse zunehmend seltener, so dass anoxische und sulfidische Bedingungen im tieferen Gotlandbecken vorherrschten", berichtet Fahrtleiter Dr. Stefan Sommer vom GEOMAR.

Während der vierwöchigen Reise mit dem Kieler Forschungsschiff POSEIDON wurde der Stoffaustausch des Meeresbodens mit der Wassersäule mittels sogenannter benthischer Lander erfasst. Videobeobachtungen mit einem geschleppten Kamerasystem dienten zur Erfassung von epibenthischen Lebensgemeinschaften, z. B. von sulfid-oxidierenden, filamentösen Bakterien der Gattung Beggiatoa. Unter sauerstoffarmen Bedingungen und dem Vorhandensein von Schwefelwasserstoff im Porenwasser besiedeln diese Organismen die Oberfläche der Sedimente weitläufig als weißliche Matten. Sie sind in der Lage den hochgiftigen Schwefelwasserstoff zu "entgiften" und haben somit eine wichtige Funktion im Ökosystem. Zusätzlich wurden Nährstoffe in der Wassersäule gemessen. Das Messprogramm wurde mit der Bergung zweier Langzeitobservatorien abgeschlossen, die über einen Zeitraum von fast einem Jahr kontinuierlich Strömung, physikalische Parameter sowie Sauerstoff im Bodenwasser gemessen haben.

Bakterienmatten Bakterienmatten
Bakterienmatten im Gotlandbecken, die anoxische Zonen kennzeichnen. Quelle: GEOMAR.

 

"Die Messungen waren trotz anfänglich schlechter Wetterbedingungen sehr erfolgreich und es konnte ein umfangreicher Datensatz erstellt werden", freut sich Dr. Sommer. "Besonders gespannt sind wir auf die Analyse der Messungen, die im gegenwärtig sauerstoffreichen tieferen Gotlandbecken durchgeführt wurden", so Sommer weiter.

Erste Ergebnisse der zwei Langzeitobservatorien zeigten ausgeprägte Schwankungen des Sauerstoffgehalts bei 125 und 90 m Wassertiefe. "Dies hat besondere Auswirkungen auf unser bisheriges quantitatives Verständnis der Nährstofffreisetzung, wobei die bisherigen Abschätzungen für diese Region korrigiert werden müssen", erläutert Dr. Sommer abschließend.



Referenz:
Mohrholz, V., Naumann, M., Nausch, G., Gräwe, U., 2015 Fresh oxygen for the Baltic Sea – An exceptional saline inflow after a decade of stagnation. J. Marine Systems, 148, 152-166. 
 

(Pressemitteilung vom 4.09.15; Quelle: Pressestelle GEOMAR)